Wenn man so etwas nicht hat, stirbt alles weg
Es ist immer wieder überraschend, welch interessante Dinge sich oft in unserer unmittelbaren Nähe offenbaren. So erging es uns nach einem Besuch in Andisleben. Der Ort pflegt ein reges Vereinsleben. Viele Aktivitäten dort speisen sich aus der ländlichen Tradition, mindestens genauso viele sind neu und innovativ und wieder andere verbinden beides auf beste Weise – Tradition mit der Jetzt-Zeit. Dass diese vielen Aktivitäten sich so frei entfalten können, hat auch mit den Rahmenbedingungen im Ort zu tun.
Wir sind verabredet mit Andislebens Bürgermeister Hans Vollrath. Er führt uns durch das Dorfgemeinschaftshaus, das ein wichtiger Teil der genannten guten Rahmenbedingungen für dörfliches Leben bildet. Es ist ein sanierter Bau, einst eine Gastwirtschaft mit Hof und Stallungen, heute beherbergt es einen Saal, eine Bauernstube, einen Weinkeller, Umkleidemöglichkeiten für Künstler und Akteure und Stauraum für so manches Vereinsequipment. Die Nebengebäude werden gerade fertig saniert und bieten ab kommendem Frühjahr einem Seniorentreff, einer Arztpraxis und einer Bäckerei-Verkaufsstelle Platz. Zudem wird es einen Beratungsraum und ein Gemeindearchiv geben.
In der Mitte – ein schön angelegter Innenhof mit einer Linde, einer Baumbank, ins Pflaster eingelassenen Hülsen zur Aufnahme großer Sonnenschirme im Sommer. Das Ensemble wirkt sehr einladend und trotz des Herbstwetters lässt sich leicht erahnen, welch schönes Ambiente die Andislebener und ihre Gäste hier vorfinden.
Das alles zu schaffen, war kein leichter Weg. 1991 wurde die Gastwirtschaft von der Gemeinde zunächst an den damaligen Pächter verkauft und als der verstarb, von den Erben zurückgekauft zum gleichen Preis wie beim Verkauf. Eine Sanierung hatte der Pächter zwischenzeitlich nicht gemacht, lediglich Instandhaltungsmaßnahmen. 700.000 Euro wurden in das Ensemble seit 2010 bis heute investiert, zwei Drittel davon waren Fördermittel. Weder die Vereine noch Arztpraxis und künftig die Bäckerei zahlen eine Miete. Nur die Betriebskosten müssen sie tragen. Das hängt mit den Förderbedingungen zusammen. Obwohl die Gemeinde dadurch keine Einnahmen generieren kann, stellt sich Bürgermeister Hans Vollrath hinter diese Entscheidung: „Wenn man so etwas nicht hat (gemeint ist das Dorfgemeinschaftshaus, Anm. der Red.) , stirbt alles weg. Die Vereine sind die Stütze der Kommune, wir können nur die materiell-technische Basis schaffen. Die Investition hat sich ausgezahlt, um das gesellschaftliche Leben zu fördern. Wer soll es leisten, wenn nicht die Gemeinde?“
Was es alles in Andisleben zu erleben und unternehmen gibt, findet seinen Niederschlag in einem Kulturplan. Da sitzen im November alle Akteure beim Bürgermeister am Tisch und entwickeln Ideen für das kommende Jahr. Bewährtes und Traditionsreiches erlebt dann eine Neuauflage, für die Umsetzung neuer Ideen werden Verantwortlichkeiten, Rahmenbedingungen und natürlich Termine festgehalten. Und das stellt sich mitunter als schwierig dar, denn der Kulturplan ist üppig. Und damit alle Andislebener die Termine im Blick haben, wird ein Heimatkalender jedes Jahr neu heraus gegeben – mit Fotos, mal historisch, mal aktuell – immer aber mit dem direkten Bezug zum Ort. Wenn der Kalender zum Weihnachtsmarkt verkauft wird, ist er sofort vergriffen.
Die „Bauernstube“ im Dorfgemeinschaftshaus ist Treffpunkt für Vereine, Seniorennachmittage, Weihnachtsfeiern u.a.m. Auf dem Saal finden Kirmes, Fasching, Tanzveranstaltungen, Buchlesungen, Kinoabende und Konzerte statt. Hier trainieren die Line-Dancer und Sportgruppen, üben die Sängerinnen des Frauenchores. Jedes Jahr stellen bildende Künstler ihre Werke hier aus. Im Kellergewölbe keltern interessierte Senioren immer im Herbst ihren eigenen Wein. Selbstverständlich können die Andislebener die Räume auch für private Feierlichkeiten nutzen.
Andisleben hat rund 650 Einwohner. Die Agrargenossenschaft ist der größte Arbeitgeber im Ort, viele Arbeitsplätze aber gibt es hier nicht. „Wenn wir schon den Leuten keine Arbeitsmöglichkeiten bieten können, sollen sie doch sehr gut im Ort leben können.“ – ist die Maxime von Bürgermeister Hans Vollrath. Und ja – es gibt weder Baugrundstücke noch Häuser, die in Andisleben zum Verkauf stünden. Der Ort ist beliebt und es lohnt sich, dort vorbeizuschauen.
Autor: B. Köhler Fotos: S. Forberg
Andislebens Bürgermeister Hans Vollrath
Bauernstube – festlich eingedeckte Tische für einen gemütlichen Nachmittag
Der große Saal im Obergeschoss hat 120 Quadratmeter.
Modernisiertes Nebengebäude wird im Frühjahr fertig gestellt.
Hof mit Linde und Baumbank
Kellergewölbe lädt zu geselligen Abenden ein
Letzte Flaschen selbstgekelterten Weines, der neue Rebensaft wird in Kürze die Regale füllen.
Planungen für die Nutzung des Nebengebäudes